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19.02.2025 Kategorie: Angedacht

Und wenn ein Lied...

Der Himmel steht allen offen

Sie war bei mir vor 20 Jahren im Konfirmandenunterricht. Während die anderen nun Mitte dreißig sind, hoffentlich privat und beruflich zufrieden, vielleicht mit Eigenheim und bestimmt manche schon mit Familie, hat es Alina nicht geschafft. Sie wurde nur 19 Jahre alt. Mit ihrer Freundin Jenni hing sie damals eng zusammen und sang mit ihr in den Unterrichtspausen den Song "Und wenn ein Lied meine Lippen verlässt. Dann nur damit du Liebe empfängst..." von den Söhnen Mannheims. Aber sonst war sie eher zurückgezogen. So richtig Lust auf den Konfirmandenunterricht hatte sie nicht. Sie ließ sich eher bitten und drängen, und damit sie überhaupt die Kurve zur Konfirmation bekam, besuchte ich sie und die Eltern damals zu Hause. Wie Jesus wollte ich um jeden Menschen kämpfen und den verlorenen Schafen nachgehen. Danach stand fest: Ja, sie wollte konfirmiert werden, und ja: Sie hielt sich jetzt an die Regeln, kam regelmäßig, holte die Gottesdienste auf und wirkte frisch motiviert. Zur Konfirmation gönnte sie ihren Haaren einen frischen Anstrich. Danach verlor ich sie wie die anderen aus den Augen. Bis ich fünf Jahre später ihr Bild auf ihrer Traueranzeige wiederfand. Voller Entsetzen und unerwartet mussten die Eltern zur Kenntnis nehmen, dass die geliebte Tochter und Enkeltochter sie für immer verlassen hat. Auf ihrer Anzeige stand, dass sie von etwas nicht loskommen konnte. Sie wollte es zwar schaffen, immer wieder. Aber offenbar hat sie es nicht geschafft, sich von verhängnisvollen Abhängigkeiten zu lösen. Mir kamen beim Lesen ein paar Tränen. Weil es mich nicht losließ, schaute ich nach, welchen Konfirmationsspruch sie sich damals ausgesucht hatte. Es war einer der steilsten Sätze, die Jesus je gesagt hat: "Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird in Ewigkeit nicht sterben" (Johannes 11,25.26). Alina hätte wahrscheinlich die moderne Fassung besser gefallen: "Jesus sagt: Bei mir hat der Tod keine Chance mehr, ich sorge für echtes Leben. Alle, die ihr Vertrauen auf mich setzen und mir glauben, die werden immer weiterleben, auch wenn sie mal sterben!" Ich weiß nicht, wie Alina zu diesen Versen stand. Das weiß ich leider von den wenigsten Menschen, an dessen Gräbern ich etwas sagen muss. Bei den meisten habe ich die Hoffnung, dass sie Jesus und seine Auferstehungskraft nicht komplett abgeschrieben haben. Der Himmel wird niemandem aufgezwungen, aber er steht allen offen, die ein Fünkchen Vertrauen in diesen Jesus setzen. Nur die Abhängigkeit von ihm macht wirklich frei. Da Alina sich damals ausgerechnet diesen Vers ausgesucht hat, behielt er für sie seine Bedeutung. Hoffentlich. Bestimmt. Mich zumindest tröstet diese Vorstellung. Dann sehe ich sie, wie sie im großen Himmelschor steht und erlöst mitsingt: Und wenn ein Lied meine Lippen verlässt ....

Foto:Clker-Free-Vector-Images / www.pixabay.com

Beitrag von Frank Wesemann